Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Weinheim:
Th. Mannborg, Leipzig, Bj. 1909, Stil 37

Nach der Ausarbeitung eines Konzeptes, wurde das Instrument zerlegt und gründlich gereinigt.

Dieses Instrument war kein Kellerfund, sondern ein Kapellenfund. Anlässlich der Restaurierung der Ulner Kapelle in Weinheim, kam dieses Schmuckstück zum Vorschein.

Das Stil 37 ist eines der seltenen Druckwind-Instrumente aus der Mannborgschen Fertigung. Vom Schmuckstück war es aber anfangs meilenweit entfernt.

Da sich auf dem Gehäusedeckel Spuren eines Aufbaus fanden, wurde dieser anhand von alten Abbildungen rekonstruiert.

Schon ging es an den Zuschnitt der Einzelteile aus feinster Eiche. Eine Herausforderung waren die Profile und geschweiften Teile. Dank guter maschineller Ausstattung, konnten wir jedoch auch hier alles selbst anfertigen.

re: Hier ist das Gehäuse samt Aufsatz schon montiert. Sogar in diesem Zustand war das Instrument nun schon eine imposante Erscheinung.

Herausforderung 2, war die farbliche Angleichung der Neuteile, welche mit Wasserbeize und Schellack behandelt wurden.

Der Gehäusedeckel musste neu furniert werden.

Nun ging es an die Balganlage, welche komplett neu aufgebaut wurde.

Irgendwie sieht der Balg aus, wie ein Saugwindbalg mit Holzfalten.

Auch das Magazin ist wie bei einem Saugwind-Instrument angeordnet.

Da der Balg mit der Pedallade zu einer Einheit verbaut ist, musste nun zuerst die Lade gerichtet werden.

Nach dem Wiederverleimen des Stimmstockes, der Überarbeitung der Ventile und der Oberfläche, ging es an die Montage.

Hab ich mich doch getäuscht, ist es doch ein Saugwind? Balganlage und Pedallade verschraubt.

Vor der "Hochzeit". Die Balganlage wird in das Gehäuse gesetzt. Hier kann man nocheinmal gut den Aufbau erkennen.

Auch die Tritte hängen wie bei einem Saugwind-Harmonium. Allerdings sind sie nicht mit den Schöpfern, sondern fest mit der Trägerplatte verbunden. Bewegt man den Tritt, drückt der über eine Rolle gespannte Gurt den Schöpfbalg nach hinten (also doch Druckwind!).

re: Noch am Tag der Lieferung, wurden die neuen Prospekt-pfeifen eingebaut - WOW !!!

Nun ging es im "Oberstübchen" weiter. Hier sieht man die neu belegte Trakturumlenkung des I. Manuals samt Oktavkoppel, welche wir aus dem Ersatzteillager nehmen mussten, da die originale irgendwann ausgebaut wurde.

Das Niederdrücken der Taste wird durch einen Stecher auf einen Winkel (roter Filz) übertragen, welcher die Bewegung nach hinten zu den Ventilen leitet. In diesen Winkel greift die Oktavkoppel ein.

Auf das erste, folgte das zweite Manual.

Hier kann man gut die Stecher der einschwenkenden Manualkoppel erkennen.

Die überarbeiteten Manualtasten, strahlen wie am ersten Tag.

li: Alles musste raus! Nach der Traktur und dem Schweller, folgten die Ventile und Zungen.

Nun ging es an die Demontage des Herzstückes. Die ansonsten liegend verbaute Windlade, steht in diesem Instrument aufrecht hinter dem "Notenpult".

Von oben nach unten: Ventile I. Manual, Ventile II. Manual, Zungen.

Im I. Manual sind normale Druckwind-Zungen in Oktavplatten verbaut (hier nach der Reinigung). Das II. Manual ist mit Saugwind-Zungen bestückt (Einzelzunge in Kanzelle).

oben: Die Winkel-Ventile werden über die senkrechten Stecher des II. Manuals bedient.

Alle Ventile sind hinter den Schallklappen versteckt. Diese Anordnung ermöglicht eine gute Schwellwirkung und eine sehr direkte Klangabstrahlung.

unten: Die langen Ventile werden über die liegenden Stecher des I. Manuals bedient.

re: Die eingesetzte Rückwand verbirgt den Pumphebel samt Balgan-lage. Darüber steht die noch offene Windlade.

Da nun ein erster Testlauf nicht mehr fern war, kümmerte ich mich um die Rekonstruktion des Pumphebels.

An der Innenseite der Rückwand, befand sich noch die originale Eisenplatte mit dem Achsloch. Die Kreise dienen der Fixierung der Spiralfedern des Magazinbalges.

re: Das mit einem Kasten abgedeckte Registerbrett, verschließt die Rückseite der Windlade.

Hier liegen bereits die Einzelteile des Registerbrettes zur Überarbeitung bereit.

Saubere Einzelteile, frischer Lack, neue Dichtungen, frische Filze .....

Registerschaltung im Urzustand.

Zerlegt und ohne Filze.

Gereinigt, Schäden behoben, Oberflächen überarbeitet, neue Filze, montiert - fertig!

Die Registerzüge durchliefen die gleichen Arbeitsschritte. Da bei der Aufarbeitung der Oberfläche Schellack in die alten Filze gerieben würde, müssen diese immer entfernt werden. Außerdem sind die meisten Filze derart mit Staub zugesetzt, dass ein seidiger Lauf der Züge nicht gewährleistet ist.

Da an diesem Instrument verm. schon immer (bzw. schon lange) ein Motor war, was als Pedalharmonium natürlich auch sinnvoll ist, wurde nun auch die elektische Windversorgung wieder hergestellt. Da das Instrument vor einer Wand stehen sollte, wurde der Verbindungskanal so flach wie möglich ausgeführt. Motor und Winddrossel, wurden in einem schallgedämmten Kasten untergebracht.

li: Dank der aufrechten Anordnung der Lade, war das Stimmen der Zungen hier besonders bequem.

re: Dagegen sieht es beim Subbass 16 ft schon reichlich gröber aus.

Hier sieht man die kleinste Zunge, f''' des Piccolo 2 ft. Stimmung mit Brille UND Lupe!

re: Doch für die Unsicherheit gab es keinen Grund, die Elemente sind sehr schön geworden und passen perfekt zum restlichen Gehäuse (Ecken unter dem Schloss-brett).

Nun fehlten noch die Stoffbespannungen der Front.

Sachen, bei denen man unsicher ist, schiebt man gerne auf die lange Bank, deshalb wurden die fehlenden Gehäuaseelemente erst jetzt angefertigt. Übrigens habe ich erfahren, dass dies eine Krankheit ist: "akute Schieberitis"

re: Alles bereit für den Transport, in wenigen Tagen sollte geliefert werden.

Nachdem nun wirlich alles fertig war, wurde die Motorkiste in einem matten Altweiß lackiert, so dass sie vor einer weißen Wand optisch verschwindet.

re: Am neuen Standort sieht dieses Instrument nun wirklich umwerfend aus. Nicht nur die Optik, auch der Klang macht es zu einem wahren Schmuck-stück.

Doch dann ereilte mich eine Hiobs-Mail. Aufgrund von geänderten Platzverhältnissen am Standort, musste eine neue Motorkiste angefertigt werden (vergl. Schalter im Bild oben).

Also wurde die nagelneue Kiste zersägt und der Entsorgung zugeführt.

Erbauer: Theodor Mannborg, Leipzig

Daten: Stil 37, Bj. 1909, SNr. 18733

System: Druckwind, Windvers.: elektrisch / Hand / Fuß

Disposition:

I. Man.:

II. Man.:

Pedal:

mechanisch:

Tritte:

Clarinette 16'

Gamba 8'

Pedalbass 16'

Oktavkoppel (I.M.)

li: Volles Werk

Prinzipal 8'

Flute d'amour 8'

Pedalbass 8'

Manualkoppel

re: Forte

Octave 4'

Forte Unteres Manual

Piccolo 2'

Forte Oberes Manual

Forte Pedal

Keine Klaviaturteilung in Bass und Diskant, alle Spiele durchgehend.