Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Marburg:
Debain, Paris, Bj. 1864

Etwas überraschend kam der Auftrag, dieses schöne Debain von 1864 zu restaurieren.

Leider war das Instrument unspielbar, da der Eigentümer die Percussion ausgebaut hatte, um sie in Eigenregie zu überarbeiten.

Alos machte ich mich erst einmal an die Bestandsaufnahme, welche wenig erfreulich ausfiel. Hier fehlen z.B. die Profilleisten.

re: Am Deckel war eine sehr tiefe, ca. 6 cm im Durchm. große Beschädigung.

Am Sockel löste sich über weite Teile das Furnier.

Der Deckel wies auch noch einen kapitalen Riss auf und auch hier fehlte die Profilleiste.

re: Der Filz für den Tastenan-schlag hat Generationen von Motten ernährt.

Wie immer, hat das Blumentopfgeschwader seine Spuren hinterlassen :-((.

Auflösungserscheinungen an allen Ecken und Kanten.

re: Beim Ausbau der Ventile trat ein großes Übel zu Tage. Die Ventil-platte hatte Risse und löste sich teilweise von den Schieden. Folge: die Ventile schließen nicht richtig, es kommt zu Heulern.

Die Tuchführung der Tasten war teilweise nicht mehr vorhanden.

Hier ein Blick auf die Ventile und die fehlende Percussion.

Die Unterseite der Lade war noch ganz gut.

Auch das Fundamentbrett war mit Rissen durchzogen.

So ein Stempel muss auch mal her! Aber "Paris" mach sicher mehr her als "Oberschweinbach".

Die Dichtwulst. Außen hui, innen hohl - schon wieder die Motten.

Blick unter das Fundamentbrett, hier sitzt das Expressionsventil.

Die Balganlage mit hinten öffnenden Schöpfern.

Hier gab es die üblichen Schäden: löchrige Zwickel und gebrochene Scharnierungen.

Da die Überarbeitung einer Balganlage für den interessierten Harmoniumfreund sicher die meisten Fragen aufwirft, folgt nun eine kurze "Fotostory".

Ausgebaute Balganlage. Als erstes werden Markierungen angebracht (mit Stemmeisen), welche die Lage der Schöpfer dokumentieren.

Schöpfer abgeschnitten, Markierungen für die seitlichen Kanäle angebracht (dies ist wichtig, da sonst beim Wiedereinbau der Balg nicht ins Gehäuse passt), Trägerplatte der Schöpfer abnehmen. Manchmal reicht es, die Kanäle nur an einer Seite zu lösen, ging hier aber nicht.

re: Loser Magazinbalg

Magazinbalg abgeschnitten.

Nach dem Ablösen der alten Beleimung, lassen wir die Einzelteile gut trocknen, bevor sie verputzt und weiter verarbeitet werden. Hier werden gerade die Leinenbänder der Faltenpaare aufgeleimt.

li: Auf die Innenseite der Falten, wird zur Verstärkung und Abdichtung ein Lederband geleimt.

Die Faltenpaare werden anhand der Markierungen auf der Balgplatte ausgerichtet, mit den Leinenbändern fixiert und mit Lederbändern überleimt.

Dann wird das Paket auf den Windkasten gelegt, wieder an den Markierungen ausgerichtet und wie nebenstehend befestigt.

Die wohl kniffeligst Arbeit ist das Aufleimen der Lederzwickel.

Das blaue Papier dichtet nicht nur ab, es stabilisiert auch die dünnen Holzfalten und schützt die empfindlichen Lederkanten.

Aufleimen der Trägerplatte gemäß den Markierungen.

Bei den Schöpfern verfährt man auf die gleiche Weise wie beim Magazin.

Die bewegliche Befestigung der Schöpfer erfolgt am besten mittels Rindsleder.

Dann werden auch hier die Faltenscharniere beledert.

Die Zwickel der Schöpfer sind etwas einfacher, da größer.

Dann heißt es wieder "blau machen". Zuerst die Kanten ...

... dann die Flächen.

Ganz scön schön hier! Leider macht mein Foto aus dem Blau oft ein Lila.

Luxusvariante - hier sind die Schöpfventile auf einer verschraubbaren Platte.

Nun kann die fertig Balganlage ins überarbei-tete Gehäuse einziehen.

li: Anbau der Trittmech-anik.

Das Expressionsventil muss absolut dicht sein, was hier noch schwierig ist.

Rahmen geleimt, Ventil neu scharniert und beledert, so klappt das.

So sah das Ganze dann wieder richtig herum aus.

In der Zwischenzeit hatte das Gehäuse deutlich an Glanz gewonnen, wie hier am Deckel.

Das einzige was hier glänzte, war das Klebeband, mit welchem die Risse abgedeckt waren.

li: Nach der Reinigung wurde jeder Riss sorgsam ausgespant.

Die originale Dichtwulst wurde nicht ersetzt, sondern partiell repariert. Hier wird ein Teil neu ummantelt.

Vielleicht nicht besonders schön, jedoch funktional und am originalsten.

Nun kam das Werk an die Reihe.

Registermechnik und Klaviatur abbauen und Ventile freilegen.

Zungen ausbauen.

li: Mit viel Köpfchen, Leim und Kraft, sollten die Risse der Vergangen-heit angehören.

Die schon erwähnten Risse im Ventilbrett mussten nun gerichtet werden.

Es hat geklappt. Hier können Ventile wieder dicht schließen.

Noch eine Schicht Schellack zum Schutz, ...

... dann konnten die gereinigten Zungen und Ventile wieder eingesetzt werden.

Einstellen der Ventilfedern auf gleichmäßige Kraft.

Die Registerdrücker vorher ...

... und nachher.

Montage

li: Die Umlenkungen der Registerzüge mussten im Ulraschallbad gereinigt werden.

re: Nach der Montage lief alles wieder einwandfrei. Im Vordergrund sieht man die extra starke Umlenkung für den Grand-Jeu-Zug.

Schlicht, schön, aber etwas empfindlich, die mit "Gold" umrandeten Registerschildchen aus Karton.

Hier noch ein Blick auf die Ventile, ...

... bevor die Klaviatur herunter geklappt wurde.

Nun war meine Arbeit schon fast getan.

li: Nachdem auch die Tritt-platten wieder montiert waren, wurden die für die Werkstatt praktischen Rollen entfernt, da sie für das Spiel auf dem Instrument viel zu hoch waren.

Auf den verwahrlosten Einlieferungszustand deutet nun nichts mehr hin. Entstanden ist ein richtiges Schmuckstück, welches sicher perfekt funktionieren wird.

Bis es jedoch so weit war, hatte der Eigentümer noch einige Arbeit vor sich. Im Bild li sieht man die ausgebaute Percussion, welche im eingebauten Zustand die vordere Kanzelle verschließt (Bild re).

So präsentiert sich das fertig Instrument, welches auch schon bei Konzerten vorgeführt wurde.

Vielen dank für die zur Verfügung gestellten Bilder und viele Grüße nach Marburg.

Erbauer:

Alexandre-François Debain, Paris, Bj. 1864

System: Druckwind

Disposition:

1 Sourdine

T Tremblant

Expression (zwischen den Kniehebeln)

SP Saxophone

SP Soprano

Kniehebel: Forte Bass u. Forte Diskant

0 Forte 3 et 4

0 Forte 3 et 4

4 Basson

4 Hautbois

3 Clairon

3 Fifre

2 Bourdon

2 Clarinette

1 Cor Anglais

1 Flute

1 Percussion

1 Percussion

# Celeste

G Grand Jeu